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Tax Compliance Management: Mehr als eine Checkliste (1/3)

Je einfacher, desto unbürokratischer? Das ist bei einem Tax-Compliance-Management-System (TCMS) nicht immer der Fall. TCMS-Scheinlösungen auf Basis von Checklisten mögen auf den ersten Blick einfach erscheinen. Doch in der Regel sichern sie eher Beratern eine zuverlässige Einnahmequelle, als dass sie Mandanten wirklich helfen, die steuerliche Komplexität zu bewältigen.

Wer sich ein TCMS anschaffen will, sollte daher genau prüfen, wie stark sein Berater die Managementprozesse digitalisiert – und welcher Aufwand für seine Mitarbeiter bleibt, um das TCMS zu pflegen und am Leben zu halten. Denn: Gerade rudimentäre TCMS verfehlen ihren Zweck der Prävention und Haftungsentlastung – und schaffen unnötige Bürokratie.

Der Begriff Tax Compliance kann mit „steuerlicher Regelkonformität“ übersetzt werden. Welches Verhalten regelkonform ist, hat im individuellen Kontext durchaus Interpretationsspielräume.

Was ist ein Tax-Compliance-Management-System (TCMS)?

Ein TCMS besteht aus dem inhaltlichen Aspekt und dem Managementsystemaspekt.

  • Der inhaltliche Aspekt umfasst die steuerlichen Rechtspflichten und die daraus abgeleiteten Handlungspflichten, Ziele, Aufgaben und Maßnahmen.
  • Das Managementsystem ist definiert über einen Regelkreis von Planung, Umsetzung, Kontrolle und Anpassung – immer in Verbindung mit den Verantwortlichen und ihrer Rolle. Das Managementsystem bietet eine Infrastruktur, um relevante Inhalte miteinander zu verknüpfen. Außerdem erleichtert es den Verantwortlichen, Feedback zu Pflichten und steuerlichen Anforderungen in den Geschäftsprozessen zu geben. Das Managementsystem hat darüber hinaus die Anforderung, über eine Visualisierung der Zusammenhänge und ein geeignetes Berichtswesen die Überwachung der Compliance zu erleichtern. Kurzum soll ein solches System helfen, Tax Compliance als unbürokratische, gelebte Praxis im Unternehmen zu etablieren.
Was ist kein Tax-Compliance-Management-System (TCMS)?

Von einem TCMS kann man nicht sprechen, wenn relevante Inhalte oder die Funktionen eines regelkreisbasierten Managementsystems nicht oder nur teilweise vorhanden sind. In einem Schadensfall geht es darum nachzuweisen, dass die Beteiligten das TCMS „leben“. Ohne schriftlich delegierte Pflichten und Aufgaben sowie regelmäßiges Feedback zur konformen Erfüllung durch die Verantwortlichen sind die Basis-Anforderungen an ein TCMS nicht erfüllt.

Dies ist dann der Fall, wenn man ein TCMS im Kern auf eine Checkliste zum Abhaken von Aktivitäten reduziert. „Abgeben der Umsatzsteuererklärung für Mai bis zum 10. Juni“ ist so eine Aktivität. Dabei ist es nicht relevant, ob man diese Checkliste analog oder digital über Outlook, ein kollaboratives Aufgaben- und Projektmanagementtool oder eine spezielle softwaregestützte Tax-Pflichtencheckliste abhakt.

In der Praxis verwechseln viele ein TCMS mit einer To-Do-Liste oder einem Fristenmanagement. Wer Führung auf das Abhaken einzelner Punkte reduziert, hat den Zweck eines TCMS missverstanden.

Mit dem Managementsystem organisiert, delegiert und kontrolliert man zunächst die Verantwortung für Pflichten und Aufgaben. Wenn die Umsatzsteuererklärung im Mai nicht rechtzeitig abgegeben wurde, geht es darum, festzustellen: Wer hat seine Verantwortung nicht wahrgenommen? Und wie gehen wir in Zukunft damit um, damit uns das nicht noch einmal passiert? Irrelevant ist dabei die Tatsache, dass die Umsatzsteuererklärung im Mai wegen Urlaub, Krankheit oder so viel anderem Tagesgeschäft zwei Tage zu spät abgegeben wurde.

Mehr zu den Anforderungen an ein wirksames TCMS lesen Sie im nächsten Beitrag.

Der Zweck von Tax-Compliance-Management-Systemen

Ein TCMS, das diesen Namen verdient, erfüllt mehrere Funktionen:

  • Das TCMS begrenzt die Interpretationsspielräume, die zu einer Rechtspflichtverletzung führen können – und zwar durch klare Ziel- und Aufgabenspezifikationen.
  • Das TCMS hilft, Rechtsverstöße zu vermeiden, frühzeitig zu erkennen oder aus Fehlern zu lernen. Dazu gibt das System regelmäßiges Feedback zu konkretisierten Rechtspflichten in Form von Handlungspflichten, Zielen und Aufgaben.
  • Das TCMS macht nachweisbar, dass alle Beteiligten Compliance leben. Dazu implementiert man angemessene Präventions- und Gegensteuerungsmaßnahmen und überwacht diese. Das Monitoring der Einhaltung lässt sich anhand von geplanten Spezifikationen belegen.
Checklisten bieten keine Entlastung

Eine Checkliste, mit der alle Führungskräfte und Mitarbeiter möglichst wenig zu tun haben, hört sich verführerisch einfach und effizient an. Am besten wäre es, wenn bei einer Steuerprüfung der Compliance-Beauftragte die Checkliste möglichst unter vier Augen mit dem Prüfer bespricht, ohne den Betrieb aufzuhalten.

Viele Berater versprechen: Der Steuerprüfer wertet den Checklisten-Ansatz als Indiz dafür, dass das Unternehmen nicht leichtfertig oder gar vorsätzlich gehandelt hat. Sie sagen, steuerstrafrechtlich relevantes Verhalten sei im besten Fall ausgeschlossen. Der Weg zu einer Anwendung der Berichtigungsnorm werde nach § 153 AO frei.

Was sie nicht erwähnen: Am Ende trägt der Mandant das Risiko. Im Schadenfall ist die Checkliste keine „Sie kommen aus dem Gefängnis frei“-Karte. Der Berater wird im Schadensfall dem Mandanten gegenüber argumentieren: „Es lag doch in ihrer Verantwortung, diese Punkte in den Geschäftsprozessen so zu organisieren, dass diese auch konform gelebt werden.“

Checklisten wälzen Führungsarbeit auf Mitarbeiter ab

Nicht nur, dass Checklisten völlig ungeeignet sind, ein TCMS ins Leben zu bringen – sie verursachen auch nicht gerade wenig (Pflege-)Aufwand für die Mitarbeiter. Der Ersteller der Checkliste wälzt ihre Umsetzung im Tagesgeschäft lediglich auf die Mitarbeiter ab. Der Mitarbeiter muss selbst entscheiden, wie er die Checkliste mit seinem Tagesgeschäft harmonisiert. Dabei liegt dem Mitarbeiter neben seiner Tax-Checkliste in der Regel noch ein Stapel anderer Checklisten vor: Datenschutz, Arbeitsschutz, Qualitätsmanagement, usw.

Eine gute Beratung umfasst genau den Schritt, die Rechtspflichten in die Geschäftsprozesse des Kunden zu übersetzen. Übersetzen bedeutet, die Anforderungen in das Tagesgeschäft der Mitarbeiter einzuarbeiten und mit den bisherigen Anforderungen zu harmonisieren. Dazu braucht es eine verständliche Definition, wie der Mitarbeiter seine täglichen Aufgaben unter Berücksichtigung der steuerlichen Anforderungen erledigen muss. Wenn man nicht prüft, ob der Mitarbeiter ausreichende Qualifikationen und Kapazitäten für die Umsetzung der Anforderungen hat, liegt bereits der Tatbestand eines Organisationsverschuldens vor.

Unklare Anweisungen sind ein Tatbestand

Im Schadensfall hat ein steuerlicher Sachverhalt immer einen Bezug zum Ordnungswidrigkeitengesetz (§ 30, 130 OWiG). Neben dem Selektionsverschulden (Eine nicht qualifizierte Person hat den Schadensfall verursacht.) oder Überwachungsverschulden (Der Pflichtenverantwortliche hat sich nicht darum gekümmert, dass die Rahmenbedingungen zur konformen Erledigung der steuerlichen Aufgaben vorlagen.), gilt es, das Anweisungsverschulden zu verhindern.

Eine Anweisung muss unmissverständlich und widerspruchsfrei formuliert sein. Einem Mitarbeiter, der Checklisten situativ und nach eigenem Ermessen in die Abarbeitung seine Aufgaben aus der Stellenbeschreibung integrieren muss, fehlt eine klare Anweisung.

Die Harmonisierung der Anforderungen aus Checklisten mit den Aufgaben in der Stellenbeschreibung ist eine Mindestanforderung, die von den Pflichtenverantwortlichen und nicht vom Mitarbeiter geleistet werden muss.

Checklisten zentralisieren Wissen und hemmen Eigenverantwortung

Checklisten werden nicht gelebt, sondern abgehakt. Den Verantwortlichen, die in ihrem täglichen Handeln Risiken verursachen, fehlt das Wissen darüber, wie die steuerlichen Anforderungen aus der Checkliste mit ihrem Tagesgeschäft zusammenhängen. Damit ist der Zweck des TCMS nicht erfüllt, Risiken zu vermeiden oder möglichst frühzeitig zu erkennen.

Dies ist ein wesentlicher Grund, warum die Akzeptanz der Führungs- und Ausführungskräfte bei klassischen Managementsystemen so gering ist. Der fehlende Transfer in die Aufgaben der Mitarbeiter vergrößert die Distanz zwischen Experten und Tagesgeschäft. Die Experten horten „Herrschaftswissen“ und beschweren sich gleichzeitig über fehlendes Risikobewusstsein und mangelnde Eigenverantwortung der Ausführungskräfte.

Was passiert in der Praxis? Die Mitarbeiter machen Fehler, die zufällig oder zu spät erkannt werden. Der Experte tritt als Oberlehrer auf: „Das haben wir doch besprochen, du kannst es dort und dort nachlesen.“ Dabei ist sich der Experte seiner Verantwortung nicht bewusst, Prozesse so zu gestalten und Anweisungen so zu definieren, dass die Mitarbeiter diese auch täglich umsetzen können. Bei Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten trägt ein TCMS auf Checklisten-Basis nichts zur Haftungsentlastung bei! Im Gegenteil: Der Vorwurf eines Organisationsverschuldens kann nicht ausgeräumt werden.

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